An diesem
09.November 2013 tat sich in Deutschland viel auf Gedenkfeiern. Das geschah
ganz anders als beispielsweise in England, wo man wie in jedem Jahr den Remembrance
Day feierte. Er erinnert an den (gewonnenen) Ersten Weltkrieg und seine Opfer,
und dabei gibt es im ganzen Land Militärparaden und Kranzniederlegungen.
Vermutlich
am stärksten wurde in diesem Jahr in Berlin gedacht. Der Beobachter erlebte
eine sozialistische Gedenkveranstaltung auf dem Friedhof der Märzgefallenen im Bezirk
Friedrichshain. Dort, wo die Toten der
demokratischen Revolution vom März 1848 begraben worden waren, wurde an die
Opfer der (letztlich gescheiterten) sozialistischen deutschen Revolution vom
November 1918 erinnert. Einige Redner, die die etwa 50 Zuhörer auch auf die Progromnacht
vom 09. November 1938 hinwiesen, erinnerten an die friedliche Revolution von
1989 hin, die zu der Maueröffnung am 09. November 1989 und schließlich zur
Vereinigung beider deutscher Staaten geführt hatte. Die alten Frauen und Männer
des mit roten Schals ausgewiesenen Chores, offensichtlich ehemals engagierte
DDR-Bürger, bekamen steinerne Gesichter.
Es war ein denkwürdiges Erlebnis, wie sich Ost- und West-Berliner
unterschiedlicher politischer Orientierung sprachlich und gesanglich
zusammenfanden. Alte ideologische Gräben
taten sich bei der Behandlung der Novemberrevolution von 1918 wieder auf: Hier
alte Kommunisten und ehemalige Maoisten mit dem Slogan „Wer hat uns verraten –
Sozialdemokraten!“. Dort Sozialdemokraten, die wie damals, 1918, für die
bürgerliche Ruhe, Ordnung und sozialen Fortschritt eintraten. Was sie
schließlich gesanglich vereinte, war das alte Volkslied „Die Gedanken sind
frei!“.
Ganz anders,
weil staatstragend und christlich orientiert, war der zweieinhalbstündige
Gedenkmarsch durch die alte Berliner Innenstadt zur Synagoge in der
Oranienburger Straße. Aus Anlass der Programnacht vor 75 Jahren wurde an die
Schmach erinnert, dass nur Wenige der Gewalt der Nationalsozialisten gegen
jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger an jenem 09. November 1938 und in den
folgenden Jahren widerstanden hätten. Zu den Wenigen gehörten der evangelische
Pfarrer Helmut Gollwitzer ebenso wie der katholische Prälat Bernhard Lichtenberg
und der preußische Polizist Wilhelm Krützfeld. Mit dem Regierenden
Bürgermeister, einem wahrhaftigen Kardinal und dem evangelischen Bischof an der
Spitze wanderten etwa 400 Menschen, hörten am Dom die Kurzbiographien jüdischer
Kinder und Erwachsener, die einst ganz normale Berliner gewesen, dann
ausgegrenzt und ermordet worden waren. Eine fast so beklemmende Situation wie
die Nennung der Namen in der
Gedenkstätte von Yad Vashem bei Jerusalem.
Weniger
spektakulär verlief eine kleine Wanderung am Abend des 29. Novembers im
Berliner Stadtteil Friedenau. Trotz Kälte und Regen wanderten rund 30
Teilnehmer zu mehreren Häusern, vor denen „Stolpersteine“ (http://www.stolpersteine-berlin.de/) verlegt
worden waren. Kleine, Namen tragende Steine aus Messing, die in das Pflaster
eingelassen worden waren, um an das Leben und Sterben von jüdischen
Mitbewohnern zu erinnern. 13 Stolpersteine erinnerten an meist ältere Menschen,
die wegen ihrer Herkunft in den 1940er
Jahren in Theresienstadt oder Auschwitz ermordet wurden. Es wurde eines jeden dieser
13 Menschen gedacht. Eine weiße Rose zierte den Stolperstein...
01.Dezember
2013
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