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Dienstag, 25. Februar 2014

Ein kritischer und warmherziger Sozialist: Theodor Bergmann zum 98. Geburtstag



Es ist immer wieder bereichernd, Geschichte durch Menschen zu erfahren. Insbesondere dann, wenn man – wie der Verfasser  - selbst als Historiker tätig ist und diesen Menschen freundschaftlich verbunden ist. Einer von ihnen ist Theodor Bergmanns, dessen Leben nun bald 100 Jahre Geschichte umfasst, die sich in Deutschland, in Europa und Übersee abspielte; vgl.
http://de.wikipedia.org/wiki/Theodor_Bergmann_%28Agrarwissenschaftler%29

Am 07. März 1916 in die kinderreiche Familie eines Rabbiners in Berlin hineingeboren, wurde er noch als Schüler Zeuge und Opfer eines schändlichen Antisemitismus, der ihn bis Kriegsende über Palästina und die Tschechoslowakei bis nach Schweden vertrieb. Seine sozialistische Gesinnung bereitete ihm zusätzlich Probleme, schenkte ihm aber auch weltweit Freunde. Erst nach Kriegsende konnte er Agrarwissenschaft in Deutschland studieren. An der Universität Hohenheim lehrte Bergmann später bis zur Emeritierung als Professor für Internationale Agrarpolitik. Als Experte bereiste und begutachtete er landwirtschaftliche Projekte in Asien und Südamerika. Als kritischer Sozialist meldete er sich immer wieder schriftlich und mündlich in der Öffentlichkeit, und als politisch wachsamer Zeitgenosse berichtete Bergmann den nachwachsenden Generationen in Deutschland von erlebter Geschichte im „Jahrhundert der Extreme“. So hat sein in Großbritannien wirkendes Pendant, der Historiker Eric Hobsbawm, der ebenfalls in Berlin sozialistisch sozialisiert wurde, eines seiner bekanntesten Werke benannt. Bergmann und Hobsbawm haben sich leider persönlich nie kennengelernt.
Theo Bergmann wurde 2006 anlässlich seines 90. Geburtstages in Stuttgart auch wissenschaftlich gefeiert. Seine Freunde und Weggefährten aus aller Welt wünschen ihm anlässlich seines 98. Geburtstages am 07. März, dass er das Jahrhundert seines Lebens vollmachen möge.   

Samstag, 15. Februar 2014

Die unheilige Gemeinschaft der Geheimdienste



Es waren viele Wissenschaftler und/oder Insider zum Vortrag von Michael Hayden gekommen. Das konnte ich auch aus dem Gesprächen der Herren hinter mir entnehmen, die sich über die jüngsten Weihnachtskarten des englischen GCHQ und des deutschen BND ebenso lustig machten wie über die sehr unterschiedliche Finanzierung des Bundesnachrichtendienstes. Vor einigen Tagen konnte ich den ehemaligen Chef der NSA, General Michael Hayden, als Gastprofessor in Oxford erleben. Vom ersten Eindruck ein typischer amerikanischer „Eierkopf“, aber mit militärischer Haltung und – im Vergleich zum Aussehen normaler Oxforder Fellows – außergewöhnlich gut gekleidet. Hayden war zur Zeit des Terrorangriffs auf die Twin Towers in New York 2001 Leiter der National Security Agency, später Direktor der CIA. Wortgewaltig problematisierte er vor dem Hintergrund der Snowden-Enthüllungen, welche Güterabwägungen die mit der Terrorbekämpfung befassten amerikanischen Organisationen - vor dem Hintergrund der amerikanischen Verfassung - zu machen hätten: Zwischen Schutz der Privatsphäre und Schutz vor Terrorakten, zwischen Kollateralschäden auch politischer Art (Merkels Telefonüberwachung  und deren Entdeckung) und Terrorbekämpfung. Dabei ließ Hayden mit feinem Zynismus erkennen, dass sich die amerikanischen Geheimdienste zwar der eigenen, aber weniger den Verfassungen anderer Länder, die sie ausspähen, verpflichtet fühlen. Auf die Frage des GUARDIAN-Journalisten Ewen MacAskill, ob Hayden sich einen Deal mit Edward Snowden vorstellen könne, antwortete dieser, dass die amerikanische Regierung dafür wenig Begeisterung zeige. MacAskill hatte Snowden in HongKong kennengelernt, als das Interview aufgenommen wurde und die NSA-Daten übergeben wurden. Er hatte dort einen erstaunlich jungen, aber sehr überlegten Mann von 29 Jahren erlebt, der als Verfechter der amerikanischen Freiheitswerte eher konservativ eingestellt ist.
Sicher ist, dass Snowden einigen Staub, der sich auf die amerikanische Verfassung gelegt hatte, aufgewirbelt hat. Kein Wunder, dass außer dem ehemaligen Vizepräsidenten Al Gore auch andere amerikanische Politiker ihren Protest gegen die Verfassungsverletzungen durch die NSA äußerten; vgl.  http://www.theguardian.com/world/interactive/2013/nov/01/snowden-nsa-files-surveillance-revelations-decoded#section/1

Montag, 3. Februar 2014

Snowden, Journalisten und der Rest der Welt



Snowden, Journalisten und der Rest der Welt

Die vierte Gewalt – neben Legislative, Exekutive und Jurisdiktion – stellen die Medien dar. So einfach erscheint uns in der sogenannten westlichen Welt die Verfassungswirklichkeit. Oder sollte sich dazwischen noch eine fünfte Gewalt, die der Geheimdienste, etabliert haben?
Es hat ganz den Anschein. Denn weder die Parlamente noch die Gerichte und offenbar erst recht nicht die Regierungen haben die Geheimdienste, vor allem die amerikanische National Security Agency (NSA) und die britische Government Communications Headquarters (GCHQ in Cheltenham, ganz in der Nähe von Oxford) im Griff. Da ist es ein Glück, dass es noch mutige Journalisten und heldenhafte Geheimdienstmitarbeiter gibt, die die Irrwege dieser Organisationen im Kampf „gegen den Terrorismus“ aufzeigen. Sie haben nicht nur George Orwells Buch „1984“,  1949 (!)erschienen, gelesen, das seitdem Generationen von Schülern vor dem Überwachungsstaat gewarnt hat. Sie haben auch die geschriebenen und ungeschriebenen Verfassungen ihrer Länder gelesen. Und sie verteidigen mit der Veröffentlichung von digitalen Geheimdienstakten ihre (und unsere) persönlichen und beruflichen Freiheitsrechte.

Luke Harding, jahrelang Korrespondent in Berlin, dann in Moskau für die englische Zeitung „THE GUARDIAN“, hat nicht nur die Überwachungs- und Verfolgungstätigkeiten von Wladimir Putins Geheimdienst erlebt und beschrieben. Er hat heute, am 03.02.2014, auch ein gut recherchiertes Buch über den „Verrat“ Edward Snowdens und die Mitwirkung englischer und amerikanischer Journalisten herausgebracht („The Snowden Files: The Inside Story of the World’s Most Wanted Man“. London: Guardian Faber 2014). Der Vorabdruck  am vergangenen Wochenende  im GUARDIAN hat die Hilflosigkeit und die Willensschwäche der amerikanischen und der englischen Regierungen aufgezeigt, die Macht ihrer Geheimdienste zu begrenzen und die Freiheitsrechte des Einzelnen bzw. der Einzelnen – wenn man auch die deutsche Kanzlerin mit einbeziehen will – zu schützen. Merkels diplomatisch gebremsten  Zorn, aber auch ihre Hilflosigkeit konnte man im deutschen Fernsehen erleben.

Im GUARDIAN konnte man nun nachlesen, wie sich Regierungsbemühen – z.B. beim britischen Versuch, die Verbreitung der Leaks, der digitalen Geheimdienstakten, zu stoppen – sogar zur Realsatire entwickelte. Klicken Sie mal: 

http://www.theguardian.com/world/2014/feb/01/edward-snowden-gchq-visit-guardian-destroy-computers