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Samstag, 17. Dezember 2016

2017 - ein Jahr wachsender Unsicherheiten?

Konflikte - Flüchtlinge - Trump 
Natürlich sieht in dieser dunklen Jahreszeit Vieles düster aus. Was für ein Wunder auch angesichts der anhaltenden Konflikte in der Welt, die mehrere Flüchtlingswellen ausgelöst haben, angesichts der Ungewissheit, wie der neue amerikanische Präsident Donald Trump seine Außen- und Innenpolitik gestalten wird, und wie der Ausstieg Großbritanniens (BREXIT) auf dieses Land und auf die Europäische Union zurückwirken wird. Und – wie so oft – hängt all dies eng miteinander zusammen.
Die Lösungen von inneren und äußeren Konflikten hängen stark von dem guten oder schlechten Willen der aktiven Staatsmänner ab. Das schlechte persönliche Verhältnis des amerikanischen Präsidenten Barack Obama zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, dem Exponenten der neuen russischen Großmachtpolitik, ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass sich Putin von Obama nicht als Gleichberechtigter behandelt fühlte. Dies (und die davor liegende, unsägliche Politik der EU gegenüber der Ukraine) hat eine Lösung des Ukraine-Konflikts verhindert, den syrischen Bürgerkrieg als (weiteren) Stellvertreterkrieg verschärft und den Cyber-Krieg zwischen Russland und den USA ausgelöst. Hier könnte der neue amerikanische Präsident, der sich prorussisch gibt, eine Hoffnung bieten – wenn er denn außenpolitische Erfahrung oder zumindest diplomatisches Geschick entwickeln würde. Beides hat er bisher nicht. Seine bisherigen Vorstöße gegenüber China beweisen eher das Gegenteil. Trumps Verhalten im Wahlkampf und seitdem wirkten in der Innenpolitik polarisierend. Obama hat wenigstens versucht, friedensstiftend im Inneren zu wirken. Die Waffenlobby hat sogar indirekt geholfen, die Rassenunruhen zu verschärfen. Die Zusammensetzung der neuen amerikanischen Regierung mit sehr konservativen und häufig in der Verwaltung unerfahrenen Männern (und wenigen Frauen) erscheint eher wie das Ergebnis einer Revolution von Oben. Wie Trump und seine Regierungsmitglieder bewusst Experten und deren Wissen, z.B. durch die Leugnung des Klimawandels, in die Ecke stellte, ist allarmierend. Wie sich seine protektionistische Wirtschaftspolitik auf das Verhältnis zu Europa auswirken wird, ist eine weitere offene Frage.

BREXIT und die Folgen
Damit eng verbunden ist die nach dem BREXIT, der erheblich das innere und äußere Gleichgewicht der sonst so coolen Briten durcheinandergebracht hat. Täglich gibt es Neuigkeiten aus den tangierten Wirtschafts- und Juristenkreisen, welche finanziellen und rechtlichen Auswirkungen der BREXIT haben wird. Trotz aller offen und insgeheim geäußerten Hoffnungen auf Vermeidung der Trennung, die auf beiden Seiten des Ärmelkanals geäußert wurden: Die Trennung Großbritanniens von der EU ab März 2017 ist sicher und nicht mehr aufzuhalten – auch wenn die Regierung noch intern gespalten ist, ob und wie ein „harter“ oder „weicher“ BREXIT ausgehandelt werden soll. Die Behandlung der Frage der Ausländer, die in dem Vereinigten Königreich leben und arbeiten, ist längst nicht mehr nur eine Verhandlungssache sondern bereits zu eine Frage des inneren Zusammenhalts geworden. Viele Polen hier können ein Lied davon singen. Und – last but not least - der letzte Blog-Eintrag hatte als besondere Pikanterie auf die irische Frage hingewiesen. Diese wurde seit dem von Tony Blair ausgehandelten Kompromiss als gelöst betrachtet; sie könnte vor  dem Hintergrund des BREXITS wieder aufbrechen.

Was wird aus der Europäischen Union?
Die Situation der Europäischen Union ist zudem alles andere als komfortabel: Dank guter Exportzahlen der deutschen Wirtschaft läuft auch die europäische – trotz aller Image- und Glaubwürdigkeitsverluste von Volkwagen und DEUTSCHER BANK, trotz aller andauernden Demokratiedefizite (und gleichzeitigen Bürokratie-„Überschüsse“) der Brüsseler Zentrale. Für die Bearbeitung der beiden letztgenannten Probleme hätten die Kontinentaleuropäer gern die Briten dabei behalten. Nun aber drohen im Hintergrund gefährliche populistische Strömungen, wie wir sie in Frankreich, den Niederlanden und sogar in Deutschland finden. Noch scheinen diese Kräfte, die in sich starke antieuropäische Tendenzen aufweisen, gebändigt. Was wird passieren, wenn sich die wirtschaftliche Situation innerhalb der EU verschlechtert? Welche Institutionen, Europäische Kommission, NATO, oder Gruppen können dann noch für den friedensstiftenden Zusammenhalt der europäischen Gemeinschaft sorgen?

17.12.2016

Freitag, 17. Juni 2016

BREXIT ? The EU Referendum viewed from Ireland and Germany

An urgent letter:

Dear British Friend and Colleague,

thank you so much for your thoughtful and full email about the EU Referendum. I have read it several times.  It goes without saying that the me-me-me money-money-money level on which the debate is being conducted in the UK is absolutely appalling. Like you I have a vision of Europe which is about a shared intellectual history and set of values, a shared visual culture going back to Greece, a shared musical and cultural world and a vision of peace and co-operation.  My view is influenced by the Germans - the Germans do remember what war was like and many Germans do have a vision of this shared culture. My view is also an Irish one.  What the EU has done to help Ireland open up and become more tolerant and remember th deep European heritage it had for centuries before the ghastly obscurantism after Irish independence is for me a great good.

If Britain leaves, then Britain can change nothing about the EU. It will in my view be an unmitigated disaster.  The EU does need to change in many ways but Britain absolutely must stay in and help.  It will be bad for the EU if Britain leaves, as Britain is needed to keep the balance between France and Germany and to promote democratic values, at a time when some of the former Eastern bloc countries are moving so far to the right. It will be bad for Britain, as it will become an inward-looking little poodle of the US, worrying about cricket and the queen. And the UK will break up, as Scotland will vote to stay in the EU. I remember how insular Britain was when I first came there forty years ago and how self-satisfied it was, and I can hardly believe how much it has changed for the better. And, while the Republic of Ireland will be rubbing its hands at the thought of all those firms which will relocate to Ireland, what about the inner-Irish border?  What on earth will Ireland be going back to if such a border is recreated?

You complain about how the EU has treated Greece. Yes, it has had a hard time.  So did Ireland, but they used the opportunity to reform some things and many people in Ireland were glad to have their own fat cats rapped over the knuckles and a troika coming in and sorting things. Greece needs to have its debt remitted, certainly, or it will never come out of recession, but perhaps some of its fat cats have been made to pay some taxes and register their property by now. You also talk about how disgusting it is that Germany is cosying up to the appalling Erdogan. Well, had the UK taken 200,000 asylums seekers as Sweden has done, perhaps that would not be so necessary! (And not just the UK, of course). Yes, I know the UK is giving lots of money to keep people in camps in Turkey, but that's not a future for those unfortunates. Everyone whom I know in Germany is helping to integrate asylum seekers. Why? Because that is how decent Europeans do things and because Germans have a memory of fleeing themselves and being looked down on as refugees and having to start all over again.

You yourself mentioned how important EU rules about workers' rights, the environment, etc, are. I agree. Speaking as someone who works in a British University, leaving the EU would be a disaster. You can forget about research in the Humanities, for starters, as the UK virtually does not fund it, but lots of other important research programmes will not be funded either. The European Research Council and other smaller EU funding bodies are life-lines for British research.

I cannot bear the thought that the UK will go back to where it was 40 years ago. I cannot bear it to refashion itself in the image of Gove and Johnson. Or God help us, Trump.
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17. Juni 1953 - 17. Juni 2016

Wie die Zeiten sich ändern: Bis 1990 wurde in Westdeutschland regel- und mäßig an den Arbeiteraufstand in Ostdeutschland erinnert. Als 13-Jähriger bin ich an diesem Tag zur Sektorengrenze in Berlin-Wedding geeilt und erlebte, wie Verletzte vom Potsdamer Platz in den Westsektor gebracht wurden und später sowjetische Panzer auffuhren und noch einige Tage später mehrere Erschossene feierlich beigesetzt wurden. Beide Teile Deutschlands sind inzwischen 16 Jahre lang wiedervereint und das in einem ebenso vereinten Europa. Ich hoffe, dass dieses Europa jetzt nicht zerbricht ...
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Freitag, 15. April 2016

EU – EURO – BREXIT und andere äußere und innere Verrenkungen


Heute, am 15.April 2016, hat in Großbritannien die Kampagne um den sogenannten BREXIT begonnen. In dem Referendum am 23. Juni entscheiden die Briten, ob das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleiben soll oder nicht. Gegenwärtig liegen die Chancen dafür bei etwa 50 : 50 - bei leichten Vorteilen für die Brexit-Befürworter, also für einen Austritt.

Die Wogen in der Öffentlichkeit gehen hoch (vgl. z.B. den Stimmungsbericht von J. F. Jungclausen in ZEIT-ONLINE vom 15.04.2016: http://www.zeit.de/2016/15/brexit-eu-grossbritannien-wales-referendum-landwirtschaft-schafzucht). Die konservative Presse (voran „THE DAILY TELEGRAPH“) unterstützt den Oberbürgermeister von London, Boris Johnson, der sich – zusammen mit vier Mitgliedern der konservativen Regierung – an die Spitze der EU-Kritiker gesetzt hat. Insulare Selbständigkeitswünsche (möglicherweise auch Erinnerungen an das Empire), Ängste vor zu vielen Einwanderern und scheinbar pfiffige Gewinn- und Verlustrechnungen werden dabei vermengt mit der Abneigung gegen „Fremdbestimmung“ aller Art, die aus der Brüsseler Bürokratie und von der Straßburger Gerichtsbarkeit kommen. So vermengt Johnson im offenen Duell mit dem „befreundeten“ David Cameron in seiner geschickten Polemik die Forderung nach dem Austritt mit der Forderung, den jährlichen EU-Beitrag Großbritanniens einzusparen. Er schlägt im heutigen Daily Telegraph vor, diesen Betrag von 13 Milliarden Pfund für die Finanzierungslücken des britischen Gesundheitssystems „National Health Service“ (NHS) zu verwenden. Ihm kommt zugute, dass „rein zufällig“ ebenfalls heute wieder neue Hiobsbotschaften über den NHS laut geworden sind (stark gestiegene Defizite, unzumutbare Wartezeiten der Patienten auch in Notfällen). Darüber berichtete auch die liberale und linke Presse (voran „THE GUARDIAN“) immer wieder, die für einen Verbleib Großbritanniens in der EU eintritt. Diese Medien hatten Mühe, den unbequemen Führer der Labour Party, Jeremy Corbyn, dafür zu gewinnen, sich für den Verbleib einzusetzen. Mit Ausnahme von vier Ministern plädiert die britische Regierung unter dem anfangs wankelmütigen David Cameron ebenfalls für den Verbleib in der EU. Maßgebliche Kreise der Wirtschaft und auch die Bank of England warnen seit Monaten vor den ökonomischen Folgen eines Austritts, die durch die Unsicherheit über den Ausgang des Referendums schon jetzt sichtbar wären. So ergibt sich eine merkwürdig schwache und zugleich „unheilige“ Allianz aus Wirtschaft (besonders Finanzwirtschaft), uneinheitlicher Regierung und Opposition, die sich primär aus ökonomischen Gründen gegen den Brexit ausspricht.  
  
Was den Beobachter vom Kontinent, der gegenwärtig von schwächelnden Volkswirtschaften (außer Deutschland) sowie von EURO-, Griechenland- und Flüchtlingsproblemen reichlich geplagt ist, besonders irritiert, sind zwei Aspekte: Erstens, dass in der britischen Diskussion die geopolitischen Gefahren Europas (Ukraine-Konflikt mit Russland, IS-Terror) ebenso aus den Augen verloren wurden wie die regionalpolitischen Konflikte (Separationswünsche Schottlands, Katalonien). Zweitens, dass in den britischen Medien fast ausschließlich die wirtschaftlichen und sozialen Aspekte des Brexits, nicht aber die Fragen einer europäischen Identität nach Jahrhunderten der Kriege und Feindschaften diskutiert werden. Da erfreut es den Beobachter besonders, wenn er auf einzelne Stimmen stößt, die genau auf diesen Punkt hinweisen. Dazu gehört der ehemalige Banker und Handelsminister der liberal-konservativen Regierung Stephen Green. Er hat jüngst (The European Identity. Historical and cultural realities we cannot deny. London 2015) die Besinnung auf die gemeinsame, oft traurige europäische Geschichte eingefordert, in deren Verlauf dem europäischen Haus so viele kulturelle Glanzlichter (Philosophen, Komponisten, Künstler, Wissenschaftler) aufgesetzt wurden. Letztlich folgt daraus die Forderung: Einigkeit macht stark. Um im Bild zu bleiben: Wenn beide Teile des europäischen Hauses, der kontinentale wie der insulare Teil,  gegenwärtig von mehreren Stürmen bedroht sind, kann man nicht einfach ausziehen. Also gilt es, weiterzuarbeiten an diesem Generationenwerk und die vorhandenen Baustellen (einheitliche Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik, Bürokratieabbau) schnellstmöglich zu reparieren.   

15.04.2016

Mittwoch, 24. Februar 2016

Berliner Glanz und Elend der Kunst

Berlin befand sich in den letzten 14 Tagen im Taumel der 66. Internationalen Filmfestspiele. Zugleich warf die Ausstellung „Kunst aus dem Holocaust“, in der 100 Werke aus der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem  im Deutschen Historischen Museum zu sehen sind, ihre langen Schatten. Damit zeigte sich erneut sehr deutlich, wie sich diese europäische Hauptstadt einerseits ihrer Vergangenheit stellt und andererseits dem Glanz der Gegenwart Raum und Zeit gewährt.

Ich habe beide Ereignisse intensiv wahrgenommen und mich auch über den Star George Clooney gefreut, der als politisierter Sympathieträger die in Bedrängnis geratene Bundeskanzlerin in der Flüchtlingsfrage unterstützte. Das Filmfestival zeigte, wie viele starke Frauen unterschiedlichen Alters es zur Zeit in dieser Kunstbranche gibt. Nur ein paar Namen: Die Jury-Vorsitzende Meryl Streep hatten sowohl die deutschen Medien als auch die Berliner schnell in ihre Herzen geschlossen. Die Dänin Trine Dyrholm (s. u. mit Meryl Streep) wurde als beste Hauptdarstellerin in „Kollektivet“, Thomas Vinterbergs Film über eine komisch-tragische Wohngemeinschaft der 1970er Jahre, ausgezeichnet. Die französische Regisseurin Mia Hansen-Love, die für „L’Avenir“ mit Isabelle Huppert einen Preis gewann, ist ebenso zu nennen wie Anne Zohra  Berracheds  Film „24 Wochen“, der  mit Julia Jentsch in der Hauptrolle das heikle Thema  Spätabtreibung behandelte.
   
Der Goldene Bär ging 2016 an den italienischen Film „Fuocoammare“ von Gianfranco Rosi, der als Dokumentarfilm das Flüchtlingsdrama bei Lampedusa zeigte. Den Großen Preis der Jury  erhielt Danis Tanovic für den bosnischen Film „Death in Sarajevo“, ein spannender und nachdenklich machender Streifen über diese von der Geschichte gezeichnete Stadt und ihre Bewohner.

Die Cineasten kamen in Berlin sowohl  bei den Filmen im Wettbewerb als auch bei denen im Panorama- und Retrospektive-Programm auf ihre Kosten. Dafür sorgte – neben den zivilen Eintrittspreisen - auch eine Vielzahl von Spielstätten im Zentrum Berlins, wozu  als größtes Kino mit 1.900 Plätzen der Friedrichstadt-Palast gehörte.

Und außerhalb der Hauptstadt, als reizvolles Theater im Kiez, präsentierten sich mit 300 denkmalgeschützten Sesseln die Neuen Kammerspiele in Kleinmachnow bei Berlin, die von einer Genossenschaft (!) betrieben werden.  Man beachte die unterschiedlich langen roten Teppiche… 

Nicht minder spannend waren die cineastischen Rückblicke, die zugleich deutsche Zeitgeschichte vermittelten. Dabei zeigten sich zum einen das Jahr 1965/66 und zum anderen die Vergleiche zwischen den Filmproduktionen in Ost- und Westdeutschland  als besonders aufregende Aspekte. Hier der in die Vergangenheit gerichtete Film von Volker Schlöndorff „Der junge Törless“  (nach dem Roman von Robert Musil)  und dort der unter der – damaligen - Gegenwart leidende DEFA-Streifen „Karla“ von Hermann Zschoche (1966). Den Letzteren gab es sowohl  in der zensierten als auch in der nachbearbeiteten Fassung von 1990 zu sehen. Die Hauptdarstellerin Jutta Hoffmann war schlicht bezaubernd.

Zurück zur Ausstellung „Kunst aus dem Holocaust“, in der die Bilder und Gedichte aus einer zumeist deutsch-jüdischen Kultur noch bis zum 03.April gezeigt werden. Unter den zahlreichen ermordeten Künstlern, deren Werke gerettet werden konnten, befand sich auch Selma Meerbaum-Eisinger (geboren 1924 in Cernowitz, gestorben 1942 in einem Arbeitslager am Bug). Aus dem Gedicht „Lied“ der Sammlung   „Blütenlese“ (erschienen in Stuttgart bei Reclam 2013) stammt diese letzte Strophe von 1941:
„Nimm hin mein Lied.
Vielleicht bringt es
Das Lachen einst zurück.
Und wer es liest,
Der sagt: Ich seh’s,
Und meint damit das Glück.“