Berlin befand sich in den letzten 14 Tagen im Taumel der 66.
Internationalen Filmfestspiele. Zugleich warf die Ausstellung „Kunst aus dem
Holocaust“, in der 100 Werke aus der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem im Deutschen Historischen Museum zu sehen
sind, ihre langen Schatten. Damit zeigte sich erneut sehr deutlich, wie sich diese
europäische Hauptstadt einerseits ihrer Vergangenheit stellt und andererseits
dem Glanz der Gegenwart Raum und Zeit gewährt.
Ich habe beide Ereignisse intensiv wahrgenommen und mich
auch über den Star George Clooney gefreut, der als politisierter
Sympathieträger die in Bedrängnis geratene Bundeskanzlerin in der
Flüchtlingsfrage unterstützte. Das Filmfestival zeigte, wie viele starke Frauen
unterschiedlichen Alters es zur Zeit in dieser Kunstbranche gibt. Nur ein paar
Namen: Die Jury-Vorsitzende Meryl Streep hatten sowohl die deutschen Medien als
auch die Berliner schnell in ihre Herzen geschlossen. Die Dänin Trine Dyrholm
(s. u. mit Meryl Streep) wurde als beste Hauptdarstellerin in „Kollektivet“, Thomas Vinterbergs Film über eine komisch-tragische Wohngemeinschaft der 1970er Jahre,
ausgezeichnet. Die französische Regisseurin Mia Hansen-Love, die für „L’Avenir“
mit Isabelle Huppert einen Preis gewann, ist ebenso zu nennen wie Anne Zohra
Berracheds Film „24 Wochen“, der mit Julia Jentsch in der Hauptrolle das
heikle Thema Spätabtreibung behandelte.
Der Goldene Bär ging 2016 an den italienischen Film
„Fuocoammare“ von Gianfranco Rosi, der als Dokumentarfilm das Flüchtlingsdrama
bei Lampedusa zeigte. Den Großen Preis der Jury
erhielt Danis Tanovic für den bosnischen Film „Death in Sarajevo“, ein
spannender und nachdenklich machender Streifen über diese von der Geschichte
gezeichnete Stadt und ihre Bewohner.
Die Cineasten kamen in Berlin sowohl bei den Filmen im Wettbewerb als auch bei
denen im Panorama- und Retrospektive-Programm auf ihre Kosten. Dafür sorgte –
neben den zivilen Eintrittspreisen - auch eine Vielzahl von Spielstätten im
Zentrum Berlins, wozu als größtes Kino
mit 1.900 Plätzen der Friedrichstadt-Palast gehörte.
Und außerhalb der Hauptstadt, als reizvolles Theater im
Kiez, präsentierten sich mit 300 denkmalgeschützten Sesseln die Neuen
Kammerspiele in Kleinmachnow bei Berlin, die von einer Genossenschaft (!)
betrieben werden. Man beachte die
unterschiedlich langen roten Teppiche…
Nicht minder spannend waren die cineastischen Rückblicke,
die zugleich deutsche Zeitgeschichte vermittelten. Dabei zeigten sich zum einen
das Jahr 1965/66 und zum anderen die Vergleiche zwischen den Filmproduktionen in
Ost- und Westdeutschland als besonders
aufregende Aspekte. Hier der in die Vergangenheit gerichtete Film von Volker
Schlöndorff „Der junge Törless“ (nach
dem Roman von Robert Musil) und dort der
unter der – damaligen - Gegenwart leidende DEFA-Streifen „Karla“ von Hermann
Zschoche (1966). Den Letzteren gab es sowohl
in der zensierten als auch in der nachbearbeiteten Fassung von 1990 zu
sehen. Die Hauptdarstellerin Jutta Hoffmann war schlicht bezaubernd.
Zurück zur Ausstellung „Kunst aus dem Holocaust“, in der die
Bilder und Gedichte aus einer zumeist deutsch-jüdischen Kultur noch bis zum 03.April gezeigt werden.
Unter den zahlreichen ermordeten Künstlern, deren Werke gerettet werden konnten,
befand sich auch Selma Meerbaum-Eisinger (geboren 1924 in Cernowitz,
gestorben 1942 in einem Arbeitslager am Bug). Aus dem Gedicht „Lied“
der Sammlung „Blütenlese“ (erschienen in Stuttgart bei
Reclam 2013) stammt diese letzte Strophe von 1941:
„Nimm
hin mein Lied.
Vielleicht
bringt es
Das
Lachen einst zurück.
Und
wer es liest,
Der
sagt: Ich seh’s,
Und
meint damit das Glück.“
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